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Konkurrentenklagen unter Versandapotheken

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Ein Apo­the­ker, der die einem an­de­ren Apo­the­ker er­teil­te Er­laub­nis zum Ver­sand apo­the­ken­pflich­ti­ger Arz­nei­mit­tel an­ficht, ist nur dann nach § 42 Abs. 2 VwGO kla­ge­be­fugt, wenn er durch den Ver­sand­han­del des Kon­kur­ren­ten un­zu­mut­ba­re tat­säch­li­che Wett­be­werbs­nach­tei­le er­lei­det.

Eine Anfechtungsklage ist nach § 42 Abs. 2 VwGO zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den angefochtenen Verwaltungsakt in seinen Rechten verletzt zu sein. Das verlangt, wenn der Kläger nicht selbst Adressat des angegriffenen Bescheides ist, dass er die Verletzung einer Vorschrift behauptet, die ihn als Dritten zu schützen bestimmt ist. Hiernach ist die Klagebefugnis im hier vom Bundesverwaltungsgericht entschiedenen Fall zu verneinen: Der Kläger – ein Apotheker – kann nicht geltend machen, die dem Beigeladenen – ebenfalls Apotheker – erteilte Versandhandelserlaubnis verstoße gegen eine seinen Schutz bezweckende Norm.

Gemäß § 43 Abs. 1 Satz 1 AMG dürfen apothekenpflichtige Arzneimittel ohne behördliche Erlaubnis nicht im Wege des Versands in den Verkehr gebracht werden; das Nähere regelt das Apothekengesetz. Die für die Erteilung der Versandhandelserlaubnis maßgebliche Vorschrift des § 11a ApoG ist kein Rechtssatz, der dem Schutz der individuellen Interessen von Wettbewerbern des Erlaubnisinhabers zu dienen bestimmt ist.

§ 11a Satz 1 ApoG sieht vor, dass dem Inhaber einer Apothekenbetriebserlaubnis nach § 2 ApoG die Erlaubnis zum Versand von apothekenpflichtigen Arzneimitteln auf Antrag zu erteilen ist, wenn er schriftlich versichert, im Falle der Erlaubniserteilung die in § 11a Satz 1 Nr. 1 bis Nr. 3 ApoG näher bezeichneten Anforderungen zu erfüllen. Hierzu gehört auch, dass der Versand nach den für den üblichen Apothekenbetrieb geltenden Vorschriften erfolgt (vgl. § 11a Satz 1 Nr. 1 ApoG), was u.a. die Pflicht zur persönlichen und eigenverantwortlichen Leitung des Versandhandels nach Maßgabe von § 7 ApoG und die Einhaltung der gesellschaftsrechtlichen Vorgaben in § 8 ApoG einschließt. Dem Wortlaut der Bestimmungen lässt sich nichts für eine Auslegung als eine zugunsten von Wettbewerbern wirkende Schutznorm entnehmen. Sie geben keinen Hinweis darauf, dass bei der behördlichen Entscheidung über die Erteilung der Versandhandelserlaubnis die Interessen anderer Apothekeninhaber in den Blick zu nehmen wären und die Erlaubniserteilung auch auf den Schutz von Konkurrenten ausgerichtet wäre.

Der Normzweck spricht ebenfalls dagegen, § 11a ApoG eine drittschützende Wirkung beizumessen. Die Zwischenschaltung der Apotheken bei der Abgabe von Arzneimitteln dient einer ordnungsgemäßen, das heißt sicheren und qualitativ hochwertigen Arzneimittelversorgung der Bevölkerung. Das Ziel einer ordnungsgemäßen Arzneimittelversorgung umfasst die Belange der Arzneimittelsicherheit (vgl. § 1 AMG), des Verbraucherschutzes und der Versorgungssicherheit. § 1 Abs. 1 ApoG weist die Gewährleistung einer sicheren Arzneimittelversorgung den Apotheken ausdrücklich als eine im öffentlichen Interesse liegende Aufgabe zu.

Auch die Entstehungsgeschichte zeigt, dass § 11a ApoG nicht individuellen Interessen von Wettbewerbern zu dienen bestimmt ist. Mit der Zulassung des Versandhandels beabsichtigte der Gesetzgeber, Einsparpotentiale im Bereich des Gesundheitswesens zu erschließen. Daneben sollte dem Umstand Rechnung getragen werden, dass bereits vermehrt Apotheken Arzneimittel an Verbraucher im Versandwege zustellen ließen. Die Konkretisierung der Anforderungen an die Erteilung der Versandhandelserlaubnis bezweckte, die Arzneimittelsicherheit und den Verbraucherschutz gegenüber der geübten Praxis weiter zu erhöhen. Mit den Regelungen wollte der Gesetzgeber ferner die Maßgaben berücksichtigen, die das Bundesverfassungsgericht in seinen Entscheidungen zum Apothekenwesen in Verbindung mit der Berufsausübungsfreiheit der Apotheker festgelegt hat. Hiernach dient die Vorschrift in erster Linie öffentlichen Interessen, während Individualinteressen allein insoweit in den Blick genommen sind, als im Lichte der nach Art. 12 Abs. 1 GG gewährleisteten Berufsausübungsfreiheit auf die Belange der Antragsteller einer Versandhandelserlaubnis Rücksicht zu nehmen ist.

Dass es in den Gesetzesmaterialien ferner heißt, mit den Regelungen zum Versandhandel würden faire Bedingungen für den Wettbewerb von Versandapotheken mit öffentlichen Apotheken geschaffen, führt nicht zu einer anderen Beurteilung. Regelt der Gesetzgeber den ordnungsrechtlichen Rahmen für eine berufliche Tätigkeit, hat dies typischerweise Auswirkungen auf den Wettbewerb im Markt, wenn und soweit durch die Ordnungsvorschriften zugleich Bedingungen für die Teilnahme am Markt festgelegt werden. Es liegt auf der Hand, dass hierbei die Herstellung eines fairen Wettbewerbs ein im ordnungspolitischen Interesse liegender, öffentlicher Belang ist. Hinzu kommt, dass ausgewogene Wettbewerbsbedingungen dazu beitragen, im Interesse der ordnungsgemäßen Arzneimittelversorgung ein flächendeckendes Netz von stationären Apotheken zu erhalten. Es bedürfte daher für die Annahme einer § 11a ApoG zukommenden drittschützenden Wirkung eindeutiger Hinweise, dass der Wettbewerbsaspekt nicht allein der Wahrnehmung öffentlicher Interessen gilt, sondern die Reglementierung der Erlaubniserteilung in § 11a ApoG zugleich darauf abzielt, das berufliche (Erwerbs-)Interesse der anderen Apotheker zu schützen. Dafür ist aber, wie ausgeführt, nichts ersichtlich.

Die Klagebefugnis lässt sich auch nicht unter Heranziehung von Art. 12 Abs. 1 GG (i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG) begründen. Das Grundrecht auf Berufsfreiheit gebietet nicht, hier ein Klagerecht anzuerkennen.

Das Grundrecht auf freie Berufsausübung sichert die Teilhabe am Wettbewerb. Es gewährt aber im Grundsatz keinen Schutz vor Konkurrenz. Die Wettbewerber haben keinen grundrechtlichen Anspruch darauf, dass die Wettbewerbsbedingungen für sie gleich bleiben. Insbesondere verleiht Art. 12 Abs. 1 GG grundsätzlich nicht das Recht, den Marktzutritt eines weiteren Konkurrenten abzuwehren. Etwas anderes kann zwar gelten, wenn der Staat selbst die Funktionsbedingungen des Wettbewerbs festlegt. Hieraus kann einem Wettbewerber das Recht auf Einhaltung dieser Wettbewerbsbedingungen zuwachsen; jedoch nur unter der Voraussetzung, dass sie (auch) dem individuellen Interesse der Teilnehmer am Wettbewerb zu dienen bestimmt sind. So liegt der Fall – wie gezeigt – im Anwendungsbereich von § 11a ApoG aber nicht.

Eine gegenteilige Bewertung ergibt sich nicht daraus, dass nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts das Grundrecht der Berufsfreiheit beeinträchtigt sein kann, wenn eine hoheitliche Maßnahme zu einer Wettbewerbsveränderung führt, die erhebliche Konkurrenznachteile zur Folge hat. Die Annahme einer möglichen grundrechtsrelevanten Verwerfung der Konkurrenzverhältnisse setzt nämlich voraus, dass die Wettbewerbsveränderung im Zusammenhang mit staatlicher Planung und/oder der Verteilung staatlicher Mittel steht. Es muss sich um eine Berufsausübung handeln, die in einem staatlich regulierten Markt stattfindet. Um einen dergestalt strukturierten Markt, wie er etwa im Bereich der Krankenhausplanung und finanzierung sowie im System des Vertragsarztrechts anzutreffen ist, handelt es sich indes bei den Apotheken nicht. Der Zugang zu diesem Markt unterliegt keiner Bedarfsprüfung. Bei der Erteilung einer apothekenrechtlichen Betriebserlaubnis nach § 2 ApoG spielen Mechanismen der Bedarfsplanung keine Rolle. Gleiches gilt für die Erteilung der Erlaubnis zum Versand apothekenpflichtiger Arzneimittel nach § 11a ApoG. Anders als der Krankenhausmarkt ist der Apothekenmarkt auch nicht durch die Verteilung staatlicher Investitionsfördermittel gekennzeichnet. Ebenso wenig besteht eine dem Vertragsarztsystem vergleichbare Budgetierung der Gesamtvergütung. Im Apothekenmarkt realisiert sich daher mit der Zulassung eines weiteren Konkurrenten lediglich das allgemeine marktimmanente Wettbewerbsrisiko.

Aus den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts vom 25. März 1992 und des Bundesverwaltungsgerichts vom 18. April 1985 folgt nichts anderes. Sie betreffen keine Konkurrentenklage und geben für den Fall des Klägers nichts her.

Eine Klagebefugnis kann hiernach nur ausnahmsweise in Betracht kommen, wenn die hoheitliche Maßnahme eine Wettbewerbsveränderung im Apothekenmarkt herbeiführt, die die wirtschaftliche Position des klagenden Konkurrenten unzumutbar beeinträchtigt. In einer solchen Situation ließe sich eine grundrechtsrelevante Verwerfung der Konkurrenzverhältnisse nicht von vornherein ausschließen. Das verlangt aber, dass ein spürbarer wirtschaftlicher Schaden dargetan ist. Die Voraussetzung ist hier nicht erfüllt. Durch den Versandhandel des Beigeladenen bedingte tatsächliche Nachteile des Klägers, die über das allgemeine marktimmanente Wettbewerbsrisiko hinausgingen, sind auf der Grundlage der Feststellungen des Berufungsgerichts nicht auszumachen.

Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 15. Dezember 2011 – 3 C 41.10


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