Ein Verstoß gegen die Bestimmungen des § 78 Abs. 2 Satz 2 und 3, Abs. 3 Satz 1 AMG, § 1 Abs. 1 und 4, § 3 AMPreisV ist auch dann nicht geeignet, die Interessen von Mitbewerbern und sonstigen Marktteilnehmern spürbar zu beeinträchtigen, wenn bei einem Rezept, auf dem zwei oder mehr verschreibungspflichtige Arzneimittel verschrieben worden sind, die für die Annahme eines Bagatellverstoßes maßgebliche Wertgrenze von einem Euro für jedes abgegebene preisgebundene Arzneimittel ausgeschöpft wird.
Die Bewerbung und Gewährung von Einkaufsgutscheinen im Wert von bis zu drei Euro für den Bezug verschreibungspflichtiger und damit preisgebundener Arzneimittel überschreitet dann nicht die Bagatellgrenze des § 3 Abs. 1 UWG, wenn der Wert des dem Kunden für jedes bezogene Mittel gewährten Vorteils einen Euro nicht übersteigt.
Der Bundesgerichtshof hat die von ihm bislang noch nicht entschiedene Frage, wo die Wertgrenze für eine geringwertige Kleinigkeit im Sinne des für die vorzunehmende Abgrenzung maßgeblichen § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Fall 2 HWG verläuft, dahingehend beantwortet, dass diese Grenze bereits bei einem Euro liegt.
Die sich in der Sache “RezeptBonus” nicht stellende, vorliegend dagegen streitentscheidende Frage, ob bei Rezepten, mit denen mehrere verschreibungspflichtige Mittel verschrieben worden sind, die Wertgrenze damit ebenfalls bei einem Euro liegt oder aber mit der Zahl der auf dem Rezept verschriebenen und bezogenen Mittel ansteigt, ist mit dem Berufungsgericht in dem Sinn zu beantworten, dass die Wertgrenze von einem Euro für jedes verschreibungspflichtige Arzneimittel gilt.
In der Entscheidung “Bonuspunkte” hat der Bundesgerichtshof ausgesprochen, dass unter den Begriff der geringwertigen Kleinigkeit im Sinne von § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Fall 2 HWG allein Gegenstände von so geringem Wert fallen, dass eine relevante unsachliche Beeinflussung der Werbeadressaten als ausgeschlossen erscheint; deshalb seien nur kleinere Zugaben, die sich als Ausdruck allgemeiner Kundenfreundlichkeit darstellten, als geringwertige Kleinigkeiten im Sinne dieser Vorschrift anzusehen. Aus den dort gemachten Ausführungen lässt sich zwar wie die Revision insoweit mit Recht geltend macht – entnehmen, dass es für die Beurteilung der Frage, ob die Grenze der Geringwertigkeit überschritten ist, maßgeblich darauf ankommt, wie die Werbeadressaten die Werbegabe einschätzen. Das Berufungsgericht hat aber mit Recht darauf hingewiesen, dass die Beklagte mit der abstrakten Fassung ihres Unterlassungsantrags darauf verzichtet hat, speziell die nach dem Vortrag der Revision durch die blickfangmäßig herausgestellte Aussage “RezeptPrämie bis zu 3,00 € geschenkt!” bewirkte besondere Werbewirksamkeit der beanstandeten Werbung zum Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits zu machen.
Bei Rezepten, mit denen zwei oder mehr verschreibungspflichtige Arzneimittel verschrieben worden sind, kann die für die Annahme einer geringwertigen Kleinigkeit im Sinne von § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Fall 2 HWG und damit eines Bagatellverstoßes im Sinne von § 3 Abs. 1 UWG maßgebliche Wertgrenze von einem Euro mehrfach (zweifach bzw. dreifach) ausschöpft werden. Das von der Werbung angesprochene Publikum erkennt, dass dieses Gutscheinsystem dem Kunden keinen besonderen Vorteil verschafft, sondern lediglich verhindert, dass diesem aus dem für ihn mehr oder weniger zufälligen Umstand, dass ihm auf einem einzigen Rezept mehr als ein verschreibungspflichtiges Arzneimittel verschrieben worden ist, beim zweiten und beim dritten verschriebenen Mittel ein sachlich nicht gerechtfertigter Nachteil entsteht. Dass der Verbraucher in diesem Zusammenhang nicht rezept-, sondern produktbezogen denkt, liegt zumal deshalb nahe, weil er umgekehrt daran gewöhnt ist, Zuzahlungen zu Arzneimitteln nicht rezeptbezogen, sondern produktbezogen leisten zu müssen.
Nichts Abweichendes ergibt sich auch aus den von der Revision für ihren Standpunkt des Weiteren herangezogenen Bundesgerichtshofsentscheidungen “UNSER DANKESCHÖN FÜR SIE” und “Unser Extra zur Begrüßung”. In den beiden Entscheidungen ging es jeweils um eine rezeptbezogene Werbung mit einem Einkaufsgutschein im Wert von fünf Euro. Die Zuwendung des Einkaufsgutscheins wurde im Fall “Unser Extra zur Begrüßung” aber lediglich davon abhängig gemacht, dass mit dem eingelösten Rezept (mindestens) zwei verschreibungspflichtige Medikamente verschrieben worden waren, und im Fall “UNSER DANKESCHÖN FÜR SIE” sogar überhaupt nicht daran gekoppelt, dass mit dem eingelösten Rezept mehr als ein verschreibungspflichtiges Mittel verschrieben worden war. Damit wurde in beiden Fällen die nach den vorstehenden Ausführungen für die Annahme eines Bagatellverstoßes im Sinne von § 3 Abs. 1 UWG maßgebliche Wertgrenze von einem Euro überschritten.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 8. Mai 2013 – I ZR 90/12