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Die niederländische Versandapotheke und der deutsche Herstellerrabat

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Eine Versandapotheke mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union hat kein Anspruch auf Erstattung des sog. Herstellerrabatts gemäß § 130a Abs 1 S 2 SGB V bei Einzelverträgen mit deutschen Krankenkassen.

Die Versandapotheke hat in dem Zeitraum von 2003 bis 2007 durch die Belieferung von GKV-Versicherten in Deutschland mit vertragsärztlich verordneten Arzneimitteln keine Zahlungsansprüche gegen das Pharmaunternehmen erworben. Solche Ansprüche konnten generell nicht entstehen, weil die Versandapotheke den Krankenkassen den Rabatt nicht aufgrund einer gesetzlichen Verpflichtung (§ 130a Abs 1 S 1 SGB V), sondern allein aufgrund einer vertraglichen Regelung eingeräumt hat und die Abwälzung der Zahlungspflicht auf die pharmazeutischen Unternehmen im Wege der Erstattung des Herstellerrabatts wiederum nur durch Gesetz (§ 130a Abs 1 S 2 SGB V) geschehen kann. Das Gesetz sieht die Erstattung des Herstellerrabatts indes nur für die Rabattgewährung nach § 130a Abs 1 S 1 SGB V, nicht aber für entsprechende vertragliche Rabattierungen vor. Die Inanspruchnahme der Beklagten käme einem unzulässigen Vertrag zu Lasten Dritter gleich.

Rechtsgrundlage für den von der Versandapotheke erhobenen Anspruch kann nur § 130a Abs 1 S 2 SGB V sein, und zwar für die Zeit vom 01.01.2003 bis zum 31.03.2007 idF des BSSichG: “Pharmazeutische Unternehmen sind verpflichtet, den Apotheken den Abschlag zu erstatten.” Für die Zeit ab 1.04.2007 ist § 130a Abs 1 S 2 SGB V in der Fassung durch das Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der GKV (GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz – GKV-WSG) maßgeblich: “Pharmazeutische Unternehmer sind verpflichtet, den Apotheken den Abschlag zu erstatten.” Beide Fassungen der Vorschrift unterscheiden sich also lediglich dadurch, dass die Erstattungspflicht nicht mehr den pharmazeutischen Unternehmen, sondern nunmehr den pharmazeutischen Unternehmern obliegt; ansonsten ist die Vorschrift unverändert geblieben.

Der Erstattungsanspruch dient dem Ausgleich von Zahlungspflichten von Apotheken nach § 130a Abs 1 S 1 SGB V. Die Vorschrift bestimmte in der hier für die Zeit bis zum 31.03.2007 anzuwendenden Fassung des BSSichG: “Die Krankenkassen erhalten von Apotheken für ab dem 1.01.2003 zu ihren Lasten abgegebene Arzneimittel einen Abschlag in Höhe von 6 vom Hundert des Herstellerabgabepreises.” Durch das GKV-WSG ist für die Zeit ab 1.04.2007 die Vorschrift insoweit geändert worden, als der Begriff “Herstellerabgabepreis” durch die Formulierung “Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers ohne Mehrwertsteuer” ersetzt worden ist. Im vorliegenden Fall bestehen Erstattungsansprüche der Versandapotheke aber nicht, weil Rechtsgrundlage ihrer Zahlungen an die Krankenkassen nicht § 130a SGB V war und demzufolge auch Erstattungsansprüche nach dieser Vorschrift nicht entstehen konnten. Europarecht ist hierdurch nicht verletzt.

Die Rabattverpflichtung zu Lasten der pharmazeutischen Unternehmer nach § 130a Abs 1 S 2 SGB V ist Teil mehrerer Vorschriften, mit denen dämpfend auf den beständigen Anstieg der Ausgaben für die Arzneimittelversorgung in der GKV eingewirkt werden soll. Allerdings waren Apotheken bereits unter Geltung der RVO verpflichtet, bei der Arzneimittelabgabe Rabatte zu gewähren (§ 376 Abs 1 RVO). Neben dieser im SGB V fortgeführten Abgabepflicht (§ 130 SGB V) hat der Gesetzgeber ebenfalls schon mit der Aufnahme der GKV in das SGB V durch das Gesetz zur Strukturreform im Gesundheitswesen (Gesundheits-Reformgesetz) die Einstandspflicht der Krankenkassen für bestimmte Gruppen von Arzneimitteln auf die jeweils preisgünstigen Abgabepreise beschränkt (Festbetragsregelung – § 35 SGB V). Später sind die Abgabepreise für von der Festbetragsregelung nicht erfasste Fertigarzneimittel zunächst vorübergehend unmittelbar durch Gesetz abgesenkt und eingefroren worden (vgl. Art 30 Abs 1 S 1 des Gesetzes zur Sicherung und Strukturverbesserung der gesetzlichen Krankenversicherung – Gesundheitsstrukturgesetz), ehe mit dem BSSichG zum 1.01.2003 Rabattlasten für Großhändler (Art 11 BSSichG) sowie die hier maßgeblichen Rabattverpflichtungen nach § 130a SGB V eingeführt worden sind. Danach erhalten die Krankenkassen gemäß § 130a Abs 1 S 1 SGB V von Apotheken für “zu ihren Lasten abgegebene Arzneimittel” Abschläge auf den Herstellerabgabepreis, die diesen nach § 130a Abs 1 S 2 SGB V – wie von der Versandapotheke beansprucht – wiederum von den pharmazeutischen Unternehmern zu erstatten sind. Der Grundbetrag des Abschlags beläuft sich grundsätzlich auf 6% des Abgabepreises für verschreibungspflichtige Arzneimittel (§ 130a Abs 1 S 1 SGB V); im Jahr 2004 betrug er abweichend hiervon 16% (§ 130a Abs 1a SGB V). Für die Zeit vom 01.01.2003 bis zum 31.12.2004 erhöhte er sich um den Betrag einer Erhöhung des Abgabepreises des pharmazeutischen Unternehmers gegenüber dem Preisstand vom 01.10.2002; für Arzneimittel, die nach dem 1.10.2002 erstmals in den Markt eingeführt wurden, gilt dies mit der Maßgabe, dass der Preisstand der Markteinführung Anwendung findet (§ 130a Abs 2 SGB V). Die vorstehenden Regelungen gelten indes nicht für Arzneimittel, für die ein Festbetrag aufgrund der §§ 35 oder 35a SGB V festgesetzt ist (§ 130a Abs 3 SGB V).

Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts war dieses Regelungssystem mit Abgabepflichten nach § 130a Abs 1 S 1 SGB V zu Lasten von Apotheken einerseits und Erstattungsansprüchen nach § 130a Abs 1 S 2 SGB V gegenüber den pharmazeutischen Unternehmern andererseits in dem hier streitigen Zeitraum für die Versandapotheke nicht einschlägig, weil Rabatte nach § 130a Abs 1 SGB V grundsätzlich nur bei Abgabe von Fertigarzneimitteln im Rahmen der Preisvorschriften nach dem AMG oder aufgrund des § 129 Abs 5a SGB V anfallen und sie diesem Regime jedenfalls während des hier zu beurteilenden Zeitraums nicht unterstellt war. Die Tatsache, dass dem Herstellerrabatt gemäß § 130a Abs 1 SGB V nur solche Fertigarzneimittel unterliegen, deren Apothekenabgabepreise aufgrund der Preisvorschriften nach dem AMG oder aufgrund des § 129 Abs 5a SGB V bestimmt werden, ist für die Zeit ab 1.05.2006 nunmehr in § 130a Abs 1 S 5 SGB V ausdrücklich normiert. Der 1. Senat hat seinerzeit dieser Regelung eine klarstellende Funktion beigemessen und ihre Geltung für die Zeit davor und damit für alle früheren Fassungen des § 130a SGB V aus dem Umstand gefolgert, dass als Herstellerabgabepreis iS von § 130a Abs 1 S 1 SGB V schon immer nur ein nach deutschem Preisrecht bestimmter Preis angesehen werden konnte. Für nach Deutschland importierte Fertigarzneimittel würden Apothekenabgabepreise indes weder aufgrund der Preisvorschriften nach dem AMG gelten noch seien sie aufgrund des § 129 Abs 5a SGB V bestimmt. Die inländischen Arzneimittel-Preisvorschriften seien folglich als klassisches hoheitliches Eingriffsrecht nicht auf Arzneimittel anwendbar, die sich außerhalb des Inlands befinden. Die Versandapotheke habe nicht durch den rechtlich zulässigen Beitritt zum Rahmenvertrag nach § 129 Abs 2 SGB V und eine entsprechende Ausgestaltung ihres Vertriebs für die Anwendbarkeit der deutschen Preisvorschriften und damit auch für das Eingreifen der Bestimmungen über den Herstellerrabatt gesorgt.

Von dieser Rechtsprechung des Bundessozialgerichts wollte der Bundesgerichtshof in einem wettbewerbsrechtlichen Rechtsstreit abweichen, weil er der Auffassung war, das deutsche Arzneimittelpreisrecht gelte auch für im Wege des Versandhandels aus dem EU-Ausland eingeführte Arzneimittel. Der BGH hat deshalb gemäß § 2 Abs 1 und § 11 Abs 1 RsprEinhG diese Rechtsfrage dem Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes zur Entscheidung vorgelegt. Der Gemeinsame Senat hat daraufhin entschieden: “Die deutschen Vorschriften für den Apothekenabgabepreis gelten auch für verschreibungspflichtige Arzneimittel, die Apotheken mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union im Wege des Versandhandels nach Deutschland an Endverbraucher abgeben”. Durch diese Entscheidung ist das gegenteilige Urteil des Bundessozialgerichts vom 28.07.2008 gegenstandslos geworden. Der Gesetzgeber hat die Rechtsauffassung des Gemeinsamen Senats durch eine klarstellende Änderung des § 78 Abs 1 S 4 AMG im Zweiten Gesetz zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften vom 19.10.2012 ausdrücklich bestätigt.

Das Bundessozialgericht hat im Jahre 2009 dem Urteil vom 28.07.2008 zwar im Ergebnis zugestimmt, also ebenfalls die Nichtanwendbarkeit von § 130a Abs 1 S 2 SGB V in Fällen der vorliegenden Art angenommen, dieses Ergebnis jedoch auf eine andere Begründung gestützt. Die Nichtanwendbarkeit von § 130a Abs 1 S 2 SGB V im hier fraglichen Zeitraum ergibt sich maßgeblich daraus, dass Zahlungen der Versandapotheke iS von § 130a Abs 1 S 1 SGB V nur auf Vertrag beruhen können und vertragliche Zahlungspflichten nicht auf Dritte abwälzbar sind. An dieser Rechtsprechung hält der erkennende Senat auch unter Berücksichtigung der Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 22.08.2012 fest.

Rechtliche Grundlage für die Beteiligung der Versandapotheke an der GKV-Versorgung entsprechend den Grundsätzen des Sachleistungssystems (§ 2 Abs 2 S 1 SGB V) waren im hier maßgebenden Zeitraum nach ihrem eigenen Vorbringen ausschließlich einzelvertragliche Beziehungen zu den Krankenkassen, deren Versicherte sie versorgt hat. Diese Verträge ermöglichten eine Abrechnung der Arzneimittellieferungen unmittelbar mit den Krankenkassen, ohne dass die Versicherten – wie es sonst bei der Inanspruchnahme von Leistungserbringern im Ausland grundsätzlich erforderlich gewesen wäre – in Vorleistung treten mussten und auf die Kostenerstattung im Verfahren nach § 13 Abs 4 SGB V angewiesen waren. Für diese Inanspruchnahme setzte die Versandapotheke – was Apotheken im Geltungsbereich des Rahmenvertrages nach § 129 Abs 2 SGB V verwehrt ist – jedenfalls in der Vergangenheit bis Ende 2007 ua dadurch Anreize, indem sie für jedes rezeptpflichtige Medikament einen “Bonus” in Höhe von 50% der gesetzlichen Zuzahlung gewährte. Nicht entscheidungserheblich ist das rechtliche Verhalten der Versandapotheke ab dem Jahre 2008. So hat die Versandapotheke mit Schreiben vom 13.11.2008 als unmittelbare Konsequenz aus dem Urteil des 1. Senats des BSG vom 28.07.2008 erstmals versucht, dem Rahmenvertrag nach § 129 Abs 2 und 3 SGB V beizutreten, was seinerzeit aber noch nicht gelang. Erst zum 1.01.2010 ist dann der Beitritt vollzogen worden, nachdem die Modalitäten des Beitritts von Apotheken aus dem EU-Ausland geklärt waren.

Auf dieser jedenfalls bis zum Jahr 2007 rein vertragsrechtlichen Grundlage hat die Versandapotheke selbst dann keine Ansprüche nach § 130a Abs 1 S 2 SGB V gegen das Pharmaunternehmen, wenn sie – wie sie vorträgt – sich in den Verträgen mit den Krankenkassen zu einer wirkungsgleichen Gewährung von Rabatten entsprechend § 130a Abs 1 S 1 SGB V verpflichtet hat. Die den pharmazeutischen Unternehmen auferlegten Zahllasten nach § 130a Abs 1 S 2 SGB V stellen als Preisreglementierung wie jede sonstige Regelung zur Kostendämpfung im Bereich der Arzneimittelversorgung einen hoheitlichen Eingriff in die Berufsfreiheit dar und bedürfen deshalb einer gesetzlichen Grundlage. Verpflichtungen nach § 130a Abs 1 S 2 SGB V können deshalb nur entstehen als Ausgleich für ihrerseits hoheitlich begründete Zahlungspflichten, nicht aber zur Weitergabe vertraglich übernommener Verpflichtungen. Entscheidend in diesem Zusammenhang ist nicht, ob eine Apotheke Zahlungen entsprechend § 130a Abs 1 SGB V leistet, sondern welchen Rechtsgrund diese haben. Sind dies – wie im Falle der Versandapotheke – ausschließlich vertragliche Bindungen, bewirken sie keine hoheitliche Indienstnahme, wie es für einen Erstattungsanspruch vorausgesetzt wäre.

Erstattungsberechtigt sind vielmehr nur diejenigen Apotheken, die – wie auch die Versandapotheke seit dem 1.01.2010 – nach dem Regime des § 129 SGB V an der GKV-Arzneimittelversorgung teilnehmen und deshalb den Regelungen dieser Vorschrift sowie der §§ 130, 130a SGB V unterworfen sind. Diesen Status haben nur Apotheken, die entweder einem Spitzenverband nach § 129 Abs 3 Nr 1 SGB V angehören oder dem Rahmenvertrag nach § 129 Abs 2 SGB V gemäß § 129 Abs 3 Nr 2 SGB V beigetreten sind. Nur dann erwirbt eine Apotheke die Rechtsstellung, die ihr einerseits auf gesetzlicher Grundlage Vergütungsansprüche gegen die Krankenkassen vermittelt und sie andererseits durch die Rabattpflichten nach §§ 130 und 130a SGB V hoheitlich belastet bzw in Dienst nimmt. Eine solche Einbindung in das leistungserbringungsrechtliche System des SGB V hat für die Versandapotheke in dem hier maßgebenden Zeitraum noch nicht bestanden.

Hiergegen kann die Versandapotheke nicht mit Erfolg einwenden, dass sie ohne entsprechende Rabattzusagen Einzelverträge mit den Krankenkassen nicht hätte abschließen können und § 130a Abs 1 S 1 SGB V deshalb auch sie faktisch binde. Das ändert zum einen nichts daran, dass sie keinen gesetzlichen Abgabepflichten ausgesetzt ist und es deshalb an einer Rechtsgrundlage für die begehrte Abwälzung der vertraglich vereinbarten Rabatte auf die pharmazeutischen Unternehmer mangelt. Zum anderen fehlt aber auch jeder Anhaltspunkt dafür, dass die Versandapotheke aufgrund der dargelegten Rechtslage gezwungen gewesen wäre, wirtschaftliche Nachteile im Verhältnis zu inländischen Apotheken hinzunehmen. Soweit die Versandapotheke befugt ist, sich durch Versandhandel vom Ausland aus an der Arzneimittelversorgung der GKV-Versicherten zu beteiligen, stehen ihr dafür mehrere Versorgungsformen zur Verfügung. Zunächst könnten Versicherte unmittelbar gegen Rechnung beliefert und auf Kostenerstattung gegen die Krankenkasse gemäß § 13 Abs 4 SGB V verwiesen werden; dann wäre die Versandapotheke selbst von jeder Rabattverpflichtung frei (nicht jedoch die Versicherten, vgl. § 13 Abs 3 SGB V). Weiter hätte die Versandapotheke schon im Jahre 2003 und nicht zum 1.01.2010 gemäß § 129 Abs 3 Nr 2 SGB V dem Rahmenvertrag nach § 129 Abs 2 SGB V beitreten und sich damit den Rabattvorschriften der §§ 130 und 130a SGB V unterstellen können. Das Beitrittsrecht ergab sich unmittelbar aus dem Gesetz und bedurfte nicht erst einer gesonderten rahmenvertraglichen Rechtsgrundlage für den Versandhandel von Apotheken aus dem EU-Ausland. Schließlich kann sie – das war der hier gewählte Weg im fraglichem Zeitraum – unmittelbare vertragliche Beziehungen zu den beteiligten Krankenkassen aufnehmen. Nicht vorgesehen ist jedoch, Vorteile unterschiedlicher Systeme zu kumulieren.

Europarecht ist ebenfalls nicht verletzt. Der Herstellerrabatt in seiner Ausgestaltung durch die §§ 129 und 130a SGB V ist vielmehr ein mit europäischem Recht in Einklang stehendes Mittel zur finanziellen Entlastung der Krankenkassen. Insoweit sind zunächst, wie bereits der 1. Senat des BSG eingehend dargelegt hat, die gesetzlichen Vorgaben für die Ausgestaltung des Vertrags nach § 129 Abs 2 SGB V europarechtskonform. Die Frage, ob der Rahmenvertrag missbraucht worden sein konnte, beitrittswillige und nach Arzneimittel- und Apothekenrecht – im Anschluss an die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs – beitrittsfähige ausländische Apotheken zu diskriminieren, stellt sich schon deshalb nicht, weil die Versandapotheke bis Ende 2008 nicht einmal versucht hat, dem Rahmenvertrag beizutreten. Seit dem Jahr 2010 ist sogar durch die Vertragsgestaltung ausdrücklich sichergestellt, dass in- und ausländische Apotheken gleich behandelt werden. Zudem wird die Versandapotheke auch nicht durch die Beschränkung des Herstellerrabatts auf reine Inlandssachverhalte im Sinne des europäischen Rechts diskriminiert. Europäisches Recht lässt vielmehr die Befugnis der Mitgliedstaaten unberührt, zur finanziellen Entlastung der nationalen Systeme der sozialen Sicherheit an rein inlandsbezogene Sachverhalte anknüpfende Rabattregelungen zu erlassen, die sich im Rahmen der europarechtlichen Vorgaben für nationale Preisvorschriften halten. Auch dies hat der 1. Senat des BSG bereits eingehend ausgeführt; dem schließt sich der erkennende Senat auch unter Erwägung der Einwände der Versandapotheke an. Anlass für ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art 267 AEUV an den EuGH ist angesichts der klaren Rechtslage nicht gegeben.

Auch der Gemeinsame Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes hat in seinem Beschluss vom 22.08.2012 entschieden, dass dem von ihm gefundenen Ergebnis weder primäres noch sekundäres Gemeinschaftsrecht entgegensteht: Ein Verstoß gegen die Warenverkehrsfreiheit iS des Art 34 AEUV liege nicht vor. Die Arzneimittelpreisvorschriften des deutschen Rechts seien, auch wenn sie auf den Versandhandel mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln aus einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union nach Deutschland anwendbar sind, keine “Maßnahme gleicher Wirkung” iS dieser Bestimmung. Die Regelung sei im Übrigen auch nach Art 36 AEUV (Art 30 EG) zum Schutz der Gesundheit der Bevölkerung gerechtfertigt.

Es ist zwar einzuräumen, dass die von der Versandapotheke in den diversen Leistungserbringungsvereinbarungen mit den Krankenkassen vereinbarte Möglichkeit, analog den gesetzlichen Regelungen in § 130a Abs 1 S 1 und 2 SGB V vom Apothekenabgabepreis einen Herstellerrabatt abzuziehen, rein wirtschaftlich betrachtet einem gesetzlichen Rabatt gleichsteht. Dies ändert aber nichts daran, dass die von der Versandapotheke als die Arzneimittel abgebende Apotheke den Abzug von Arzneimittelabgabepreis in Höhe des Herstellerrabatts nur im Vertragswege vereinbart hat und sie demgemäß auch nur ein vertragliches Rückgriffsrecht in Höhe dieses Herstellerrabatts gegen die Beklagte geltend machen könnte, was jedoch einem zivilrechtlich unzulässigen Vertrag zulasten eines Dritten gleichkäme. Die von der Versandapotheke aufgeworfenen europarechtlichen Fragestellungen hätten den erkennenden Senat also nur dann zu einer Vorabanfrage beim EuGH nach Art 267 AEUV veranlassen können, wenn streitig und entscheidungserheblich gewesen wäre, ob und unter welchen Voraussetzungen das Gemeinschaftsrecht eine Teilnahme ausländischer Versandhandelsapotheken an der innerstaatlichen Versorgung von GKV-Versicherten mit Arzneimitteln gebietet (Art 18 und 34 AEUV). Gerade das war hier aber nicht Streitgegenstand, sondern – wie ausgeführt – allein die Frage, ob mit den Krankenkassen frei ausgehandelte Rabatte an Dritte – die Arzneimittelhersteller – weitergegeben werden können. Die Frage, ob und ggf welche Rechtsfolgen aus der fehlenden Rückgriffsmöglichkeit der Versandapotheke gegenüber der Beklagten und den anderen pharmazeutischen Unternehmen resultieren, ist allein innerhalb des Vertragsverhältnisses zwischen der Versandapotheke und der jeweiligen Krankenkasse zu klären.

Ansprüche auf bereicherungsrechtlicher Grundlage stützen das Klagebegehren ebenfalls nicht. Dabei kann offen bleiben, inwieweit die Beklagte – wie die Versandapotheke vorgetragen hat – deren Belieferung unter Berücksichtigung von Abschlägen nach § 130a SGB V zu Recht verweigert hat, obwohl die in das kollektivvertragliche System nach § 129 SGB V eingebundenen Apotheken dieselben Arzneimittel im Ergebnis zu einem um diese Rabatte gekürzten Preis erhalten haben. Denn die Voraussetzungen der bestehenden Zahlungspflichten nach § 130a Abs 1 S 2 SGB V sind abschließend geregelt; für die ergänzende Heranziehung bereicherungsrechtlicher Grundsätze entsprechend § 812 BGB besteht deshalb kein Raum.

Das Bundessozialgericht sieht auch keine Möglichkeit, die rein vertragliche Gewährung von Rabatten zugunsten der Krankenkassen wegen einer Gesetzesänderung aus dem Jahre 2010 der gesetzlich angeordneten Rabattgewährung gemäß § 130a Abs 1 S 1 und 2 SGB V nachträglich für die Zeit von 2003 bis 2007 gleichzustellen. Eine solche Gleichstellung wäre allenfalls für die Zeit ab 30.07.2010 zu erwägen.

Durch das zum 30.07.2010 in Kraft getretene Gesetz zur Änderung krankenversicherungsrechtlicher und anderer Vorschriften (KVRÄndG) ist in § 130a Abs 1 S 5 und 6 SGB V ausdrücklich die Arzneimittelabgabe durch Krankenhausapotheken (§ 129a SGB V) in den Regelungsbereich der Vorschrift aufgenommen worden, sodass die Rabattpflicht nach § 130a Abs 1 S 1 und 2 SGB V auch diese Form der Arzneimittelversorgung von GKV-Versicherten erfasst, obgleich für die Krankenhausapotheken die Arzneimittelpreisverordnung nicht gilt, sodass die Abgabepreise und die Abschläge – wie beim vertragsbasierten Internethandel aus dem EU-Ausland – zwischen Krankenkasse und Krankenhaus vertraglich festzulegen sind. Die zum 1.01.2004 eingeführte Arzneimittelabgabe durch Krankenhausapotheken nach § 129a SGB V ist auf GKV-Versicherte beschränkt, die sich im Krankenhaus ambulant behandeln lassen. Krankenhausapotheken sind also von vornherein keine öffentlichen Apotheken iS der §§ 129, 130a SGB V, sodass sie nicht der Pflicht zur Abführung des Herstellerrabatts nach § 130a Abs 1 S 1 SGB V unterlagen, solange § 129a SGB V in dieser Vorschrift nicht erwähnt war. Das war bis zum 29.07.2010 der Fall. Der Krankenhausträger und die Krankenkassen müssen mangels Geltung der Arzneimittelpreisverordnung die Abgabepreise bis heute aushandeln, wobei das Wirtschaftlichkeitsgebot (§ 12 SGB V) zu beachten ist, die Preise der Krankenhausapotheken also grundsätzlich nicht höher sein dürfen als die Abgabepreise der öffentlichen Apotheken; ansonsten kommt es nicht zum Vertragsschluss nach § 129a S 1 SGB V, der gemäß § 129a S 3 SGB V Voraussetzung für die Einbeziehung in das Sachleistungssystem der GKV ist. Faktisch musste also der Herstellerrabatt auch von den Krankenhausträgern beachtet werden, und zwar entweder durch eine von vornherein niedrige Gestaltung des Abgabepreises (also mit “eingepreistem” Herstellerrabatt) oder durch die vertragliche Gewährung des Herstellerrabatts. Der Gesetzgeber wollte die zum 1.08.2010 erfolgte Erhöhung des Herstellerrabatts von 6 % auf 16 % (§ 130a Abs 1a SGB V) wegen ihres wirtschaftlichen Gewichts nunmehr auch auf die Krankenhausapotheken erstrecken, musste dafür in die bestehenden Verträge nach § 129a SGB V eingreifen (“hoheitliche Preisregulierung”) und war deshalb gezwungen, § 130a SGB V um eine Bezugnahme auf § 129a SGB V zu ergänzen; dies war auf Arzneimittelabgaben ab 30.07.2010 beschränkt (“künftig”).

Wegen dieser konstitutiven (also nicht lediglich klarstellenden) Ausweitung des § 130a SGB V erscheint die “Benachteiligung” der Arzneimittelabgabe im Versandwege durch Apotheken mit Sitz im EU-Ausland, für die gemäß § 78 Abs 1 S 4 AMG das deutsche Arzneimittelpreisrecht gilt, schon mit Rücksicht auf den allgemeinen Gleichbehandlungssatz des Art 3 Abs 1 GG fragwürdig. Da die Gleichbehandlung erst ab 30.07.2010 in Betracht käme, die Versandapotheke aber schon zum 1.01.2010 dem Rahmenvertrag nach § 129 SGB V beigetreten ist, kann sie sich bereits ab 1.01.2010 auf die Gleichbehandlung mit inländischen Versandapotheken berufen. Auf die etwaige Gleichbehandlung ab 30.07.2010 wegen der rechtlichen Gleichstellung von niedergelassenen Apotheken und Krankenhausapotheken in § 130a SGB V kommt es im Fall der Versandapotheke nicht an.

Bundessozialgericht, Urteil vom 24. Januar 2013 – B 3 KR 11/11 R


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